Dienstag, 17. Oktober 2023

51. Schwarzbuch des BdSt macht wütend

Blogeintrag | Kommentare (1)

Zum 51. Mal hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) sein ‘Schwarzbuch’ vorgelegt. Es enthält wiederum 100 besonders drastische und teilweise auch kuriose Verschwendungsfälle der öffentlichen Hand auf kommunaler, Landes- sowie Bundesebene. Der BdSt selbst nennt zur Vorstellung des Buches beispielhaft diese Fälle: ● Neue Sportgeräte ohne Sportler in Mannheim – macht 116.000 Euro für einen Parcours, an dem meistens gähnende Leere herrscht ● Ein frisch saniertes Parkhaus ohne parkende Autos in Wuppertal – macht vier Millionen Euro Kosten, die fast zwei Jahre keinen Nutzen brachten. Der Stadt fehlen die Einnahmen, weil sie sich nicht rechtzeitig um einen Betreiber gekümmert hat und die Fahrzeuge vor verschlossenem Tor standen ● Das „Haus der Erde“ in Hamburg wird zum Fass ohne Boden – macht aktuell 425 statt geplanter 177 Millionen.

Ein Sonderkapitel befasst sich mit den Ausgaben der Regierungen für ihre Kommunikation. Ob Plakate oder Broschüren, ob Radio, Fernsehen oder Social Media, ob Print-Produkte oder Podcasts: Politische Öffentlichkeitsarbeit inklusive eingekaufter Media-Agenturen oder Influencer bindet nach den Erhebungen des BdSt immer mehr Ressourcen! Dabei seien die Grenzen zwischen objektiver Aufklärung und subjektiver Eigenwerbung fließend. Anzeichen für eine illegitime Öffentlichkeitsarbeit seien zum Beispiel strategische Verkürzungen, Unverhältnismäßigkeiten und unklare Wirkungszusammenhänge.

Im Bundeshaushaltsplan 2023 hat der BdSt mehr als 150 Titel entdeckt, die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit verbergen – neben den explizit ausgewiesenen Titeln! Im Einzelnen bietet das Sonderkapitel eine kritische Bestandsaufnahme der klassischen Druckerzeugnisse, der rund 500 Social-Media-Accounts sowie der rund 1.000 Internet- und Kampagnenseiten allein der Bundesregierung. Auf dieser Grundlage hat der BdSt Risiken formuliert und Kriterien für eine legitime Öffentlichkeitsarbeit der Politik definiert. „Aus steuerfinanzierter Informationsvermittlung darf keine Publicity-Kampagne werden. Die Öffentlichkeitsarbeit von Regierungen muss ausschließlich der Aufklärung zwecks freier Willensbildung der Bürger dienen“, fasst BdSt-Präsident Reiner Holznagel die Forderungen zusammen.

Traurige Klarheit gibt es laut BdSt beim Debakel um die Pkw-Maut. Nach seinen Berechnungen haben politische und rechtliche Fehleinschätzungen rund um die Einführung den Steuerzahler mehr als 300  Millionen Euro gekostet. Leider wird auch dies bei den politischen Verantwortlichen zu keiner einschneidenden Konsequenz führen, geschweige denn, wird dafür jemand außer dem Steuerzahler zur Kasse gebeten. Holznagel appellierte bei der Vorstellung des Schwarzbuchs daher an die Verantwortlichen, „mit öffentlichem Geld genauso sorgfältig umzugehen, als wäre es das eigene“. Das ehrt den BdSt-Präsidenten, ist aber ein entbehrlicher Appell. Bewirken wird er nichts. Helfen könnte allenfalls die Einführung eines Straftatbestands der Steuerverschwendung, den die meisten Parlamentarier aber scheuen wie die Motten das Licht.

Apropos Parlamentarier. Ein besonders übles Beispiel der Ungleichbehandlung dieser Personengruppe mit dem Rest der Bevölkerung und auch dem öffentlichen Dienst, hat der BdSt Rheinland-Pfalz aufgedeckt. Es geht um einen ehemaligen Bundestagsabgeordneten, der zeitgleich ehrenamtlicher Bürgermeister von Oppenheim war. Er wurde wegen Bestechlichkeit in vier Fällen und Untreue in zwölf Fällen im Amt rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten auf Bewährung verurteilt.

Wäre er nur Staatsdiener gewesen, hätte ihn dies wahrscheinlich seine Pensionsansprüche gekostet. Denn nach dem geltenden Beamtenrecht kann bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten der Beamte rausgeworfen werden und seine Pensionsansprüche verlieren. Eine Regelung, die das Bundesinnenministerium, worauf der BdSt hinweist, ausdrücklich für „sachgerecht und mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums vereinbar“ erklärt, weil „entsprechende Freiheitsstrafen die Amtsunwürdigkeit belegen“. Eine rechtskräftige Verurteilung zu mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe wegen Bestechlichkeit im Hauptamt, so das Ministerium, belege „die Ungeeignetheit für eine weitere Verwendung im Beamtenverhältnis, weil Korruption in besonderer Weise geeignet ist, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität der Staatsverwaltung maßgeblich zu beeinträchtigen.“ Doch was für gemeine Staatsdiener gilt, gilt noch lange nicht für Abgeordnete.

Denn, so der BdSt, Abgeordnete verlieren ihren Pensionsanspruch erst dann, wenn sie im strafrechtlichen Sinne wegen eines ‘Verbrechens’ verurteilt werden, für das ein Mindeststrafmaß von einem Jahr gilt. Bestechlichkeit gilt jedoch nicht als Verbrechen, sondern als Vergehen, weshalb – als Mindestmaß  – geringere Freiheitsstrafen oder Geldstrafen verhängt werden.“ Doch damit ist der Ärger über diese Privilegierung der Abgeordneten noch nicht am Ende. Während in gleich mehreren Beamtengesetzen die negativen Konsequenzen für den Fall einer strafrechtlichen Verurteilung minutiös geregelt sind, haben die Abgeordneten diese Regelung eher versteckt als offen erklärt. Sie findet sich im Abgeordnetengesetz hinter dem nüchternen Paragrafen 32 „Beginn und Ende der Ansprüche, Zahlungsvorschriften“. Dieser sieht unmittelbar keine Sanktionen vor, verweist aber – kompliziert über das Bundeswahlgesetz – schließlich auf das Strafgesetzbuch.

„Die Bürger“, so das Fazit des BdSt, „können zu Recht eine Vorbildfunktion von ihren Volksvertretern erwarten. Wenn der Gesetzgeber von Staatsdienern ein Höchstmaß an Eignung, Integrität und Loyalität verlangt, dürfen Abgeordnete diesen Ansprüchen nicht hinterherhinken – ein korruptes Verhalten läuft schließlich der Würde und Unabhängigkeit eines Mandats zuwider. Deshalb sollten die Abgeordneten ihre eigenen Regeln dringend schärfen und sich dabei am Beamtenrecht orientieren!“ Sehen wir genauso.

Das digitale Schwarzbuch gibt es für Interessierte hier.


Verfasst von: Frank Schweizer-Nürnberg | Kommentare (1)

Zurück zum Blog
#1 Dr.
von Michael Balke, 10.11.2023 15:17

In der Tat, sehr geehrter Herr Dr. Schweizer-Nürnberg, die Einführung eines Straftatbestands der Steuerverschwendung könnte gegen verschwenderische Parlamentarier helfen. Wird wohl trotzdem nicht geschehen. Genauso wenig wird wohl das normale, belegverpflichtete Volk die Abschaffung der automatischen Steuerfreiheit der enorm hohen Kostenpauschale speziell für Bundestagsabgeordnete erleben. Denn Abgeordnete sind im Strafrecht, im Steuerecht und in anderen Rechtsgebieten Deutsche Meister im Innehaben von gesetzlichen Privilegien. Dies, obwohl Privilegien (ohne besondere Rechtfertigung) demokratie- und rechtsstaatfeindlich sind. Der viel zu früh verstorbene Roger Willemsen saß ein Jahr lang im Deutschen Bundestag auf der Besuchertribüne und meinte wohl zu Recht, dass der Politiker seinen schlechten Ruf auch der Tatsache verdankt, "dass er, als Massen-Individuum auftretend, wenig von dem hat, was man am Einzelmenschen schätzt. In dieser Hinsicht ist er wie ein Saalpublikum oder ein Fußballstadion. Sowenig er zurückscheut vor Exzessen des Eigenlos, so wenig blamiert ihn jede denkbare Verunglimpfung des Gegners. Der Abgeordnete ist nicht demaskierbar, auch nicht durch die Wahrheit. Denn solange er seine Funktion für Partei und Fraktion erfüllt, sind rhetorisch fast alle Mittel erlaubt. So entwickeln sich die Abgeordneten allmählich zu Charaktermasken. Wie die handelnden Personen im Kasperletheater erfüllen sie Auflagen ihrer Rollen-Charaktere: Gretel, Polizist, Teufel. Hanswurst, Krokodil" (Das Hohe Haus, Ein Jahr im Parlament, 3. Auflage 2014, Seite 242).




Kommentar verfassen

Bitte beachten Sie bei Ihren Kommentaren unsere Netiquette